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Das Quartier oder warum eine Definition für DUCAH so wichtig ist - Interview mit Prof. Wolfgang Hünnekens

„Das Fundament muss einfach richtig gegründet sein. Nur so können wir bei DUCAH alle von den gleichen Gegebenheiten ausgehen“, so lautete die Zielstellung meines Kollegen Prof. Dr. Dr. Thomas Schildhauer für das DUCAH-Forum in Berlin. Dem Wunsch unseres Wissenschaftlichen Direktors haben die Genossenschaftsmitglieder auf dem DUCAH-Forum entsprochen. Denn es ist wichtig, dass die über 20 DUCAH-Mitglieder von denselben Grundvoraussetzung ausgehen, etwa bei der Entwicklung der „Besser-leben-Quartiere“ (BLQ). In verschiedenen Workshops haben wir deshalb die Eckdaten zunächst für das Quartier herausgearbeitet und so für DUCAH definiert:
Ein Quartier ist ein Ort, in dem die relevanten Akteurinnen und Akteure nach gemeinsamen Werten in einem für sich begrenzten Raum sozialraumorientiert handeln und leben.
Dabei hat sich das Format auf unserem DUCAH-Forum bewährt. Hier haben wir viele Fachleute aus den unterschiedlichsten „Gewerken“ und Fachbereichen zusammengebracht. Mit gutem Erfolg, haben doch einige der teilnehmenden DUCAH-Genossenschaftsmitglieder aus der Sozialwirtschaft den Begriff der „sozialraumorientierten Arbeit“ in die Diskussion eingebracht. Und das nicht ohne Grund, handelt es sich bei der sozialraumorientierten Arbeit um eine entwickelte Perspektive, in der verschiedene theoretische und methodische Blickrichtungen genutzt und weiterentwickelt werden. Dies vor allem unter Wahrung der Grundprinzipien der Sozialraumorientierung (SOR) nach Wolfgang Hinte:
  1. Orientierung am Willen der Menschen (nach W. Budde und F. Früchtel)
  2. Aktivierende Arbeit vor betreuender Tätigkeit, also die (digitale) Ertüchtigung aller Akteure im Quartier
  3. Aus eigener Kraft erreichbare Ziele, unter Verwendung personeller und sozialräumlicher Ressourcen: Erhebung von Bedürfnissen und Ressourcen im Quartier
  4. Zielgruppen- und bereichsübergreifend arbeiten
  5. Vernetzung und Kooperation verschiedener Dienste (nach R. Fürst und W. Hinte)
  6. Lebenswelten: subjektzentriert und lebensraumbezogen erkennen und fördern (nach G. Theunissen)
Mit der neuen Definition wird der Quartiersbegriff für uns als DUCAH handhabbarer und übersichtlicher. Wir haben ein Fundament für die Besser-leben-Quartiere gelegt. Denn auch hier spielen verschiedene räumliche Perspektive eine wichtige Rolle, etwa die, ob das Quartier im ländlichen oder urbanen Umfeld angesiedelt ist. Ziel von DUCAH ist auf jeden Fall die Integration und das Zusammendenken verschiedener Akteure – vor allem in Hinblick auf das Zusammenleben von Jung und Alt im Quartier. Wichtig ist auch der Gedanke, dass ein bestimmter Zweck erfüllt wird, etwa das angestrebte „länger besser leben“. Räume ohne Zweck sind nur Bezirke, darüber waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig. Das Quartier hingegen ist wie eine Gemeinde, ein räumlich definierter Raum zum generationenübergreifenden Leben. Mehr noch: Quartiere sind Lebens- und nicht nur Sozialräume – sie sind tatsächlich „erlebbare Lebensräume“.

Das Ziel bei DUCAH

Unser Ziel bei DUCAH: Durch das Hinzufügen einer digitalen Komponente und des Nachhaltigkeitsgedankens wird das Quartier zu einem „Besser-leben-Quartier“. Gestützt durch transsektoralen, also sektorenübergreifenden und kooperativen Austausch erhebt DUCAH fortlaufend Bedürfnisse und Ressourcen des Netzwerks. Mehr noch: Durch den Ansatz des menschenzentrierten Vorgehens und der Einbindung aller Stakeholder beschreiten wir mit DUCAH den Weg für die digitale Befähigen der Akteure in den Quartieren, genauer: in den Besser-leben-Quartieren!
Nun stellt sich uns die Frage: Welche Parameter werden in Zukunft wichtig für das Quartier und vor allem auch das BLQ sein? Insbesondere drei Fragestellungen sind ausschlaggebend für die Zukunft:

1. Wie schaffen wir einen Raum, der die digitale Transformation in Verbindung mit dem „länger besser leben im Quartier“ vorbereitet?

2. Wie gestalten wir Technik, Infrastruktur und Daten im Besser-leben-Quartier?

3. Welche Perspektiven (Innovationsgeber, DUCAH Netzwerk, Pflegeeinrichtung, Wissenschaft) gibt es in Bezug auf bestimmte Parameter?

Das Quartier – Technik, Daten und Infrastruktur

Bei unseren Workshops spielten aber nicht nur theoretische Überlegungen eine Rolle, sondern auch ganz praktische Voraussetzung für ein erfolgreiches Quartier. Grundvoraussetzung für ein Quartier im Sinne von DUCAH ist eine stabil laufende Technik. Erstaunlich, dass man in diesem Zusammenhang in Deutschland immer noch über ein Thema nachdenken muss, aber es scheint einfach in vielen Bereichen doch noch ein Problem darzustellen. So gehört zu einer zuverlässigen, technischen Infrastruktur etwa auch ein leistungsfähiges WLAN. Das WLAN sollte idealerweise überall verfügbar sein und Haus, Räume sowie weitere Quartiersbereiche umfassen. Denn nur so ist es in der Praxis möglich, auch wirklich mit digitalen Geräten zu arbeiten. Vor allem auch mit eigenen Geräten, ganz nach dem „Bring your own device“-Prinzip. Das setzt dann wiederum Apps voraus, die auf den Endgeräten funktionieren müssen, also Software-basierte Lösungen. Und nicht zuletzt müssen Verleih-/Treffstationen für Nutzerinnen und Nutzer digitaler Endgeräte mitgedacht werden. Für uns ist ein Umstand besonders wichtig: Der sog. „Digital Divide“ muss durchbrochen werden – es darf nicht mehr zwischen Menschen unterschieden werden, die schon in der Lage sind mit digitalen Geräten erfolgreich umzugehen, sondern alle älteren Menschen müssen dazu befähigt werden. Denn eine von den Forumsteilnehmenden eingebrachte Lösung ist eine Kollaborations- bzw. Quartiersplattform. Hier sind Austausch und Kommunikation möglich, hier werden Termine und Veranstaltungen koordiniert – eine Art digitales Schwarzes Brett. Dazu sollte eine belastbare Datenstrategie entwickelt sowie kommerziell verfügbare Daten bereitgestellt werden – inklusive eines sinnvollen Datennutzungskonzepts. Und, na klar, DSGVO-konform.

Quartier und andere Akteure

Wie bereits angemerkt, ist ein wichtiger Punkt die Quartiersplattform. Sie ist gedacht als Plattform für Angehörige sowie Kundinnen und Kunden, für den Einsatz digitaler Belohnungssysteme und nicht zuletzt für die Vernetzung der Bewohnerinnen und Bewohner.

In diese Richtung geht übrigens das bereits in der DUCAH-Konzeptphase erarbeitete Konzept zur Concierge Plattform, das in Art und Weise, die Organisation übergreifend, für alle Akteure einsetzbar ist. Last but not least spielen der Mehrgenerationen-Gedanke und Interaktionsformate eine wichtige Rolle: Hier sollte der Fokus auf Empowerment und Aktivierung liegen. Schließlich sollen aber auch der Bedarf und die Bedürfnisse erfasst werden – insbesondere auch in Bezug auf die Technik. Ideengeber sind hier idealerweise die Bewohnerinnen und Bewohner – denn das entspricht natürlich dem menschenzentrierten Ansatz bei DUCAH. Zur Sicherung und vor allem zum Erreichen der angestrebten Qualität sind entsprechende Weiterbildungsangebote sowie Kontrollen unabdingbar.

Das Quartier der Zukunft – Zusammenarbeit und Innovation statt Elfenbeinturm

Zusammenarbeit und Innovation, also die gemeinsame Entwicklung von Ideen nehmen einen besonderen Stellenwert bei DUCAH ein. Deshalb wollen wir bei DUCAH nicht im Elfenbeinturm Lösungen für Menschen entwickeln, sondern mit den Betroffenen gemeinsam. Unser Ziel ist das Miteinander auf Augenhöhe, die Bedürfnisorientierung und nicht zuletzt das Einbeziehen wichtige Eckpunkte in die Innovationsprozesse. Das bedeutet: Endnutzerinnen und -nutzer müssen schon früh etwa auch in Designprozesse eingebunden werden. Für diese erfolgreiche und innovative Zusammenarbeit ist ein zielgruppenorientiertes Format sinnvoll.
Hierfür bietet die DUCAH die entsprechenden Rahmenbedingungen: Bei uns kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Personen aus der Praxis zusammen. So werden gemeinsam mit technikaffinen Problemlösern kooperativ „wicked problems“, also ermittelte drängende Probleme, bearbeitet. Ziel von DUCAH ist es, Ressourcen nachhaltig und Kräfte zielführend einzusetzen, um für alle ein „länger besser leben“ zu ermöglichen.
Prof. Wolfgang Hünnekens ist Honorarprofessor für Digitale Kommunikation an der Universität der Künste zu Berlin (UdK), Fachbuchautor in den Themenfeldern Soziale Medien, Digitale Transformation und "Anders Arbeiten" sowie Vorstand der DUCAH eG.
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