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Der Weg aus dem Personalmangel: Erfolgreiche Strategien für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft

Freudige Erwachsene Tochter, die glückliche überraschte ältere Mutter im Garten begrüßt
Die Corona-Pandemie hat den Mangel an qualifizierten Pflegekräften in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft noch verschärft. Und Besserung ist eher nicht in Sicht. Obwohl die Lage sich allmählich „normalisiert“, bleibt die Gewinnung von Fachkräften eine drängende Herausforderung. Denn der Personalbedarf in den drei Leistungsbereichen Krankenhaus, stationäre und ambulante Pflege wird von 714.000 im Vergleichsjahr 2015 auf 901.000 Vollkräfte im Jahr 2030 steigen. Im Krankenhaus sind nach heutigem Stand rund 20 Prozent zusätzliche Vollkräfte erforderlich, in der stationären Pflege ebenfalls 21 Prozent und in der ambulanten Pflege sogar 49 Prozent zusätzliche Vollkräfte. Wie können also Gesundheits- und Sozialwirtschaft qualifizierte und motivierte Pflegekräfte gewinnen?
Es gibt keinen Königsweg zur Lösung der Personalfrage. Es kommt auch ein wenig auf die Anforderungen und Bedürfnisse, auf die Herangehensweise der Organisationen und Einrichtungen. Manchmal sind es innovative Recruiting-Lösungen und manchmal ist es einfach eine andere Herangehensweise.
Wir möchten Ihnen in diesem Blogbeitrag ein inspirierendes Beispiel für die zweite Variante vorstellen.

Das „Haus am See“ oder ein anderer Weg

Im malerischen Brüssow, nicht weit von Prenzlau in Brandenburg entfernt, befindet sich das Haus am See. Diese Einrichtung wird von der Stephanus Stiftung geführt, dem jüngsten Genossenschaft- und Forumsmitglied bei DUCAH. Seit 2022 steht Kersten Höft dem „Haus am See“ als Leiter der Einrichtung vor. Ein Problem, das viele Einrichtungen in der Pflege betreffen, kennt er nicht: Personalmangel. Wie der gelernte Altenpfleger diese Herausforderung gelöst hat, erläutert er in diesem Interview.
Kersten Höft im Interview
Kersten Höft

Sie haben keinen Fachkräftemangel in Ihrer Einrichtung, warum?

Kersten Höft: Die Frage kann ich so pauschal gar nicht beantworten. Ich bin davon überzeugt, dass viele kleine Faktoren dieses Phänomen in unserer Einrichtung beeinflussen. Ein wichtiger Aspekt ist sicher eine hohe Zufriedenheit unter den Mitarbeitenden, für die wir auch mit dem Siegel „Attraktiver Arbeitgeber“ als Ergebnis einer Mitarbeitenden-Zufriedenheitsbefragung ausgezeichnet wurden. Ich sehe mehrere Gründe für diese Zufriedenheit. Unter anderem eine höchstmögliche Transparenz und Verbindlichkeit in meinem Verantwortungsbereich sowie eine gute fachliche Streit- und Fehlerkultur in unserer kleinen Einrichtung und bei Stephanus. Wir versuchen die uns vertrauenden Menschen optimal und mit hohem Qualitätsanspruch zu begleiten und zu versorgen. Die Qualitätsstandards bei Stephanus unterstützen uns dabei. Es gibt in der Einrichtung ein Leitungsteam, welches klar strukturiert und abgesprochen arbeitet.
Gelebte christliche Werte sind für uns eine Selbstverständlichkeit: Sicher auch ein Grund für Mitarbeitende, zu uns zu kommen und zu bleiben. Die Erreichbarkeit von der Wohnbereichs- bis zur Einrichtungsleitung gestalten wir unkompliziert und auf kürzesten Wegen. So können Probleme schnell erfasst und bearbeitet werden. Wir arbeiten an starken Pflegeteams, die füreinander da sind. Deshalb benötigen wir keine Leasingkräfte.

Ihre Mitarbeiter arbeiten etwas weniger, sind aber motivierter und dadurch leistungsfähiger? Ist das so?

Kersten Höft: Als gelernter Altenpfleger kenne ich die Belastungen, die dieser schöne und verantwortungsvolle Job mit sich bringt. Daher bin ich davon überzeugt, dass Teilzeitverträge die dringend benötigte Freizeit und Erholungsphasen ermöglichen. Dieses Konzept geht nur auf, wenn die Kolleginnen und Kollegen wirklich nur diese Stunden arbeiten müssen und sich darauf verlassen können. Sollte dennoch ein Stundenaufbau notwendig sein, können unsere Kolleginnen und Kollegen sicher sein, dass im Folgemonat diese aufgebauten Stunden als Freizeit in vollen Tagen ausgeglichen werden. Damit wird die Work-Life-Balance sowie die Einsatzbereitschaft gesteigert und eine Überlastung vermieden. Die Kolleginnen und Kollegen bekommen so den Kopf frei, sich für andere Projekte zu interessieren und unsere Einrichtung weiter nach vorn zu bringen.

Brauchen Sie unter dem Strich nicht mehr Personal?

Kersten Höft: Mit diesem Konzept haben wir automatisch mehr „Köpfe“ um den Stellenplan umsetzen zu können. Da unsere hohe Verbindlichkeit und gute Pflegequalität in der Region bekannt ist, haben wir genug Bewerberinnen und Bewerber auf die zu besetzenden Stellen. Zudem zahlt die Stephanus Stiftung nach dem AVR DWBO Tarif und die Mitarbeitenden haben auch in Teilzeit ein im Branchendurchschnitt gutes Einkommen und eine attraktive zusätzliche Altersvorsorge

Ist das eine Besonderheit Ihrer Einrichtung oder könnte man so überall an die Sache herangehen?

Kersten Höft: Ich kann nur für meine Einrichtung sprechen. Ich denke, pauschalisieren lässt sich kein Konzept. Unser „Haus am See“ hat einen Weg gefunden, durch hohe Mitarbeitenden-Zufriedenheit Personalmangel zu vermeiden. Zum Wohle der Beschäftigten und deren Familien sowie der uns anvertrauten pflegebedürftigen Senioren. Unser Ziel sollte es sein, die unzähligen ausgestiegenen Pflegekräfte mit attraktiven Versorgungs- und Pflegekonzepten zurück in die Altenhilfe zu holen. Ein „weiter so“ wird es nicht geben können.

Was müsste sich generell ändern, um den Fachkräftemangel zu beheben?

Kersten Höft: Wir müssen weiter den Arbeitsalltag so gestalten, dass wir unsere Pflegeideale erreichen können. Pflegekräfte wollen Menschen versorgen und nicht abfertigen. Sie dürfen nicht länger am Computer für die Dokumentation sitzen als am Bett unserer zu betreuenden Personen. Wir müssen Verbindlichkeit bei den vertraglich vereinbarten Konditionen wahren und einen klaren Weg skizzieren, wenn wir von der Vereinbarung abweichen müssen. Gute Teams bilden, begleiten und fördern – das benötigt Vertrauen und die gesamte Aufmerksamkeit eines Leitungsteams. Die Mitarbeitenden müssen wieder stolz darauf sein, als Pflegerin oder Pfleger zu arbeiten! Die Digitalisierung in der Pflege wird eine immer größere Rolle spielen. Viele junge Menschen werden sich für die Tätigkeit in der Pflege schneller begeistern lassen, wenn die Pflegeprozesse moderner, innovativer sind und Digitalisierung spürbar entlastet. In diesem Bereich sind wir bei „Stephanus Wohnen und Pflege“ sehr aktiv. Auch unserer Einrichtung testet gerade eine Videosprechstunde von MediDoc. Es gibt eine Vielzahl großartiger Ideen und Entwicklungen. Eine Vielzahl an Produkten für die Pflege ist aber noch nicht ausgereift. Wir werden diese wichtige Thematik mit innovativem Partner weiter voranbringen.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

Ja, in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft besteht ein akuter Personalmangel, der durch den demografischen Wandel und die steigende Nachfrage nach Pflege- und Betreuungsdienstleistungen verschärft wird. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind gezielte Maßnahmen notwendig, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Eine erfolgversprechende Strategie besteht darin, das Image der Branche zu verbessern. Hierbei können gezielte Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen, sowie eine Förderung von Aus- und Weiterbildungen dazu beitragen, die Branche für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiver zu machen. Eine menschenzentrierte, zeitgemäße und innovative Ausgestaltung der Pflegeprozesse sowie die spürbare Entlastung durch Digitalisierung können dazu beitragen, dass sich insbesondere junge Menschen eher für eine Tätigkeit in der Pflege begeistern lassen.
Nicht zuletzt können optimierte Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, eine angemessene Vergütung sowie eine gezielte Personalentwicklung helfen, Fachkräfte zu binden und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern. In diesem Bereich wird DUCAH gerade in seinen „Besser-leben-Quartieren“ in absehbarer Zeit zu neuen Erkenntnissen kommen.
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